Werkgruppe Schwarze Seelenportraits
In den aktuellen plastischen Arbeiten aus der Werkgruppe "Schwarze Seelenportraits" spiegeln sich Erfahrungsmomente von Gisela Berks Reisen ins Innere der unendlichen Tiefen des Seelischen.
Auf der Suche nach den spirituellen Wurzeln und ihrer Identität wurde sie von der grenzenlosen Seele allesverschlingend, angezogen wie vom Kern eines schwarzen Loches. Es ist immer auch ein Weg nach Hause - im Sinne von Novalis Frage: "Wohin gehen wir?" Eben nach Hause, zur Seele an sich, wo aber sämtliche Trennungen aufgehoben sind. Wäre Gisela Berk dort angelangt und mit diesem Zustand verschmolzen stünden ihre mythischen Figuren jetzt nicht vor dem Betrachter. Tatsächlich hat sie während ihrer Reisen durch die Schichten des Unterbewußten dort Rettungsanker ausgeworfen, wo sich ihr das größte Identifikationspotential bot - zumindest gegenwärtig: auf den Inseln der griechischen Mythen, beseelt mit archetypischen Symbolfiguren wie etwa Ödipus oder Hermaphrodit.
Mit diesen Erscheinungsweisen seelischer Natur deutet sie ihre Weltsicht. Sie zieht die mythische Ebene der wissenschaftlichen bei weitem vor - auch als Lebensform, weil sie weiß, daß im Innern schon alles enthalten ist. Es will ja nur abgeschöpft werden. Mit der Abneigung gegenüber einer rein analythisch zu erfahrenden Natur mit allen möglichen Lebensformen ist sie in guter Gesellschaft mit Vordenkern wie Capra und Carl Friedrich von Weizsäcker etwa.
Mit dem Unterschied, daß Gisela Berk ihre intuitiv gewonnenen Erfahrungen und Reflextionen mit Zement und Nessel als Ausgangsmaterial zu dreidimensionalen Assemblagen gestaltet. Motiv und Themenwahl verweisen ganz offensichtlich auf ihre andere Leidenschaft die Schauspielerei!
Die alles verschlingende Oberflächenfarbe schwarz, die wie der Schleier der Maya scheint - nur Hülle, läßt die Augen sich bald der bizarren Gestaltung ihres Ödipus und Hermaphroditen Gebildes zuwenden...
Ironisch gebrochen erscheinen beide Arbeiten, die hier als Beispiele gelten sollen. Sie sind nicht in psychologischer Tradition affirmativ gestaltet, sondern sind als solche vielmehr große subjektive Fragezeichen, die einiges offen lassen und völlig neue Interpretationen ermöglichen. So fragt man sich, wenn sich eine weibliche und eine männliche Büste, gegenüber positioniert, selbstverliebt in einem Spiegel betrachten, ob beide Hermaphrodit und die Nymphe Salmacis Narkissos zu Rate ziehen, bevor sie zum Mannweib entgültig verschmelzen.
Was hier vor der Verschmelzung ist dort bei Ödipus wieder getrennt: modelliert als ein weiblicher Torso vom Rumpf, mit nach oben gespreitzten Beinen, und ein deutlich kleinerer Torso, den männlichen Teil darstellend, mit gesichtsverdeckendem Hut, scheinen hier Ödipus in einer ohnmächtigen Opferrolle darzustellen. Aufgespalten in ein nie wieder zusammenfügbares Ganzes, kleben beide Teile in respektvollem Abstand sehr stabil auf einem sockelähnlichen Hocker. Bei diesen Arbeiten wurden Fundstücke und Requisiten aus ihrem üblichen funktionellen Dasein herausgenommen und verfremdet eingesetzt.
Bildungs- und Recherchereisen, ihre Beteiligung am Theaterfestival in Burkina Faso weckten Gisela Berks Interesse für afrikanische Kulthandlungen und Schamanismus. Inspiriert von der Einfachheit afrikanischer Kunst entstehen Werke wie der Magische Vogel der maskenhaft auf Stelzenbeinen sitzt mit glühenden orangefarbenden Augen. Ihre Reise nach Innen wie nach Außen geht weiter.
Hans Linsen, Autor in Köln